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Presse-Echo

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Einführende Worte zur Ausstellungseröffnung Giger, Janssen, Wandel am 16.2.07 in Krönbacken Erfurt

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde, sehr geehrte Renate Wandel,

Aus dem Chaos, aus dem Urgrund, beginnt immer wieder neues Leben, es entspringt aus dem Chaos, stets kommend aus den teuflischen und himmlischen Mächten, sichtbar in den Bildmotiven der Bad Hersfelder Künstlerin Renate Wandel. In ihren Bildern, in ihrem bewegten Pinselduktus, in den pulsierenden Farbschwüngen, hält sich ein chorus mysticus versteckt, der auch aus der figürlichen Keramik spricht. Aus diesen Arbeiten entsteigen bekannte und unbekannte Sinnbilder, Motive, Götter und Figuren, gefangen sind jene in der Kraft der Farben, der Vielzahl der Gestalten, die auch politische Botschaften überbringen, wenn politische Maskerade gezeigt wird. Wandel spielt mit Zeichen und Symbolen. Sie werden schließlich zu Formen und Metaphern, die zum Sinnbild für Geschichte und Gegenwart werden. Die anima terrae (die Erdseele) erweckt ihre gemalten, radierten und installierten Gestalten zum Leben, die sich dicht an dicht auf dem Malgrund und im Raum tummeln. Renate Wandel geht mit den beiden anderen Künstlern (Giger und Janssen) eine gewagte Symbiose ein. Sie verbindet sich mit ihnen thematisch, sie setzt farbige Akzente, bricht herein durch die Wucht der Farben und Farbakkorde. Sie löst die Spannungen, sie akzentuiert, sie verhüllt und enthüllt die Botschaften. Ihre Engel, Posaunenengel, Erzengel, schweben und ihre mythologisch Geflügelten werden zu bestimmten Zeichen, die sich im Laufe der Kunstgeschichte seit den Anfängen der Christenheit zeigen. Ob Nike zu einem Engel wird oder ein Erzengel zum Engel der Dunkelheit spielt nur in der Motivwahl eine Rolle. Voller Schwung schwebt ihr Drachentöter Michael im Bildmotiv, so stürzt aber auch ihr Ikarus hinab, wie ein gefallener Engel, zu Boden. Sturz, Fall und Schweben werden zu Sinnbildern des Lebens. Der Aufstieg und Fall in Grafik und Malerei direkt sichtbar gemacht. Manchmal erschreckt der Faunus in ihrer Keramik, dann wiederum schwebt Amor, wiederum ein Erzengel, der sich verwebt mit der technoiden Sprache von HR. Giger und der Sprache von Horst Janssen. So zeigt sich hier Eros und Thanatos. Wandel greift Motive auf, die sie in den Kontext der Gegenwart transformiert. Hier überall lauert Luzifer, der ein, ja der Lichtbringer gewesen ist. Dieser Engel war schön wie ein Morgenstern. Der bei ihr zum Bild eines Schalkes, eines Fauns wird, der Dämon, Verführer, Engel und Richter zu gleich ist. Der Mensch, ja der Betrachter,  der von dämonischen Kräften umgeben wird und sich zwischen zwei Welten, dem Gespann von Eros und Thanatos, aufhält, ist dem Himmlischen wie dem Diabolischen unterworfen, er bewegt sich im Kreise. Himmel und Hölle treffen bei Wandel zusammen, wie Dante beschreibt, wir gehen durch Kreise, wir erkennen die Schlüsselbotschaften, denn Motive bewegen sich aufeinander, sie werden zu einer Materie von Farben, von Lichtschwüngen und Zeichen, die von Licht und Dunkelheit in gleicher Art und Weise erfüllt werden. Renate Wandel versucht, das Diabolische, das Erotische, das Himmlische zu zeigen, lenkt den Blick auf das Urteil des Paris, auf das Unheil jener Wahl, links und rechts davon sind die Auswirkungen zu sehen, das Bildmotiv ihrer Installationen wird zu Interpretation für Paris. Der die Frau- Venus erwählt. Seine sinnlichen Komponenten werden in der Darstellung sichtbar. Er selbst wird zum Spielobjekt. Wandel beschreibt diesen Königssohn eher neckisch. Ihr Blick geht auch hier von den Höhen zu den Tiefen des Menschseins. Auf die Erde, zum Himmel, über die Wolken, und er führt schließlich zum Licht. Eingewoben in gewaltige Farbkräfte schwingt sie selbst im Rausch der üppigen Farben mit, in der Gegenwart, in der Vergangenheit, ja in der Vision des Seins-Scheins- und Werdens von Bildmotiven, Metaphern und Zeichen. Der Engelsgesang spricht aus den Bildern, die aber nicht die Reinheit des sphärischen Gesangs  lobpreisen, sondern nicht selten das Profane zum Ausdruck bringen. Ob nun der Engel über Wiesbaden ein Engel ist, der sein Füllhorn ausschüttet oder es die Büchse der Pandora ist, die hier Unheil ausschenkt, gar vielleicht die Fama, die bösen Ruhm posaunt, kann die Bewegung zwar nicht verraten, wohl aber das Geflecht aus Himmlischem und Diabolischem der Farben. Wer hier die stillen und sittsamen Boten vermutet, die sprechen: Fürchte dich nicht, muss leider enttäuscht werden, hier wird eine andere Gegenwart der Engel und himmlischen Heerscharen gesehen und erlebbar gemacht, die sich im Dickicht der expressiven Farben zeigen, im dämonischen Rot, im wüsten Farbklang der leuchtenden Farbklänge, die wohl das Klingen des Ãœberirdischen, des Galaktischen zum Ausdruck bringen, schließlich zum hellen Ton des Schwebens geführt werden. Ihr Werk, das Werk der Engel und der Künstlerin selbst, kann beschrieben, betrachtet, gedeutet und ausgelotet werden. Ihr Grundtenor ist schließlich die Beziehung zwischen Mensch-Welt-Erde. Viele Gedankengänge umkreisen die Themen der christlichen Ikonografie und gipfeln in der Sinnlichkeit der antiken Mythologie. So teilt sie uns über ihre Bildsprache das Leben des Dr. Faustus mit, sein wohl unbefriedigtes Leben und unendliches Sehnen, sein Aufstreben in das Ãœbersinnliche, in die Walpurgisnacht, die im Feuer der Farben zu erleben ist. Das Immer Währende Sinnliche versteckt sich hinter der Allmacht der Farben, hier bündelt sich nicht nur das Einzelschicksal eines Menschen, hier vollzieht sich geradezu Allmenschliches, im Auf und Ab der Pinselbewegung, in der Spannung der Bildformate und nicht zu letzt in der Komposition, die voller Dramatik und Dynamik das Kraftvollsinnliche preist. Wenn  schon in den Faustboxen die Mächte des Mephisto in das Ãœbersinnliche gesteigert werden, der Mensch, gleichsam als Denker von Rodin  darin sitzt, sich spiegelt in Scheinreich seines Selbst, dann gleicht das Leben einem Welttheater. Und über allem schweben die Lobgesänge der Engel, nein, steht ein Engel, so dass hier drei Welten direkt aufeinander treffen. Der Prolog im Himmel findet statt, in Farben von Rot, Schwarz, Weiß und Gold. So ist auch hier der Teufel den Boten von Gott untergeordnet, er zeigt eine der möglichen Welten an. Ist nun der Teufel hier- wie bei Goethe- ein Freund Gottes oder tritt er auch hier als ehemaliger Erzengel in Erscheinung? Nun ja, vielleicht ist ja die klassische Walpurgisnacht erreicht, das thessalische Land, das unbegrenzte Land. „Denn, Heil dem Meere, Heil dem Feuer!“. Was sich hier verwoben zeigt. Im Zusammenklang von Malerei, Keramik und Installationen von Renate Wandel spiegelt sich Vielfältiges. Und so öffnet sich der Höllenrachen, gleich einem weiblichen Schenkel, voller Lust und Kraft und  zieht mit nimmer zubändigender Kraft die Elemente an. So erlebt man bei der Betrachtung der Arbeiten das Unbeschreibliche, das Unwirkliche voller Tiefe und Farbenpracht, gegenständlich oder abstrakt So wirken jene Motive gleich wie Landschaften, die Körperlichkeiten und Räume zeigen, himmlische Höhen und Erdtäler zugleich beschreiben. So ist man stets der Metamorphose der Bilder unterworfen, die die Beziehungen zwischen Menschen zum Unendlichen zeigen, in Motiven und Farben codiert präsentieren. Faust- der Mensch- steht also bei Renate Wandel zwischen dem Göttlichen und dem Teuflischen. Ob nun das Teuflische wirklich das Niederziehende Element ist, kann nur durch die Farben und den Dialog zu Giger und Janssen erkannt werden. Er, der Erdgeist, ist nun Teil der Gott-Natur, zwei Herzen schlagen ach in meiner Brust, vielleicht seufzt auch das Gretchen noch nach. Aber- aus einer himmlisch höllischen Wette  entsprang ein Plan, ein Motiv, dass sich Renate Wandel vorstellte, sie inspirierte, zu malen, zu interpretieren, ja zu zeigen, was das Innere der Welt zusammenhält. Eben das Diabolische und das Himmlische zu gleich. Schicht um Schicht malt Wandel ihre Gedanken, bündelt Selbst Kräfte in Farben, schwingt sich selbst auf zu neuen Motiven und Interpretationen. Was ist nun mit den himmlischen geflügelten Heerscharen, die sich zeigen? Die Boten, die Engel werden einmal faunisch, ein andermal christlich zu ihren Motiven.
Und wenn sie in den Hexenküchen zu sehen sind, lodern die Farben von Renate Wandel. Ob die Botschaften auch im Nachklang einer Harzreise entstanden sind, vermag sie nur Selbst zu beantworten. Die Walpurgisnacht (30.4-1.5.) führt auf den Brocken. Auf Besen, Gabeln und Böcken reitet der Lustgott hinauf, um ins Diabolische Feuer zu fallen, vielleicht nimmt er uns mit. Der Hexenmeister bittet zu Tisch. Ob nun im Salamander das Feuer der Hölle lodert oder das stille Licht der friedlichen Boten zum Vorschein kommt, erklären die Zeichen von Wandel von selbst. Und so beschreibt Renate Wandel den Reigen der Götter, die sich bei Ovid in der Vielzahl tummeln. Aurorens Gestalt steigt hinab und wird zu Helena, der schönsten Frau der Antike, die im Urteil des Paris hier zu sehen ist.  Die Welt wird als Bühne wahrgenommen, wie schon Calderon im „Welttheater“ beschreibt. Wenn Dante beschreibt im 27. Gesang der Göttlichen Komödie: „Die stets zu glühen scheint von Liebesflammen, war mirs, als säh ich jung und schön im Träume, ein Weib auf einem Plane sich ergehn, …“ So wird bei Wandel sich der Götterhimmel immer wieder öffnen, der den Apollon zeigt, der sich der Nymphe Daphne bemächtigt und in der Spur der Radierung wohl mit dem Lorbeer vereint ist.   In dem Wechsel von grafischer Spur und zarter Aquarellfarbe entwickelt Wandel auch einen spannungsvollen Kontrast in jener Grafik. Wenn sie(er) mit jungem Laube sich verjüngt und rein und bereit zum Aufflug nach den Sternen ist, Dante33. Gesang, dann nimmt uns Wandel mit, in ihre Bildwelten zu entfliehen, vorbei an der Walpurgisnacht, über das Faunisches und Sinnliche zur Englischen Schar der Götter.
Ob man sich auf dem Parnassus der feierlichen ekstatischen Farben wieder findet oder in höllischer Pracht, ist dem Betrachter selbst überlassen. Im Paradies der Farben, der Fantasie bewegen sich alle Künstler, allzumal.
Danke.

Diana H. Trojca , M.A.
Kunsthistorikerin

Erfurt, im Februar 2007